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Tagungsbesuch des wissenschaftlichen Nachwuchs
5. Dezember 2024
Lidiia Krier, Lea Niehaus, Rahel Schwarz und Lluc Solés Carbó nahmen mit Vorträgen ihrer Forschungsprojekte an der Tagung "Neue Perspektiven auf Orchestermusik von Komponistinnen“ vom 14. Bis 16. November teil.
© Kunstuni Graz, Alexander Wenzel
Im Rahmen eines Forschungsseminars zum Thema „Frauen komponieren Oper“ bei Prof. Dr. Anno Mungen stießen Rahel Schwarz, Lluc Solés Carbó und Lea Niehaus auf die Komponistin Julia Kerr (1898 – 1965). Trotz großer Hürden in ihrer Biografie, die sich unter anderem auf ihr Geschlecht zurückführen lassen, komponierte Kerr neben einigen Liedern zwei Opern. Ihre zweite Oper, deren Komposition sie Ende der 1920er Jahre begann und die sich bis in die 50er fortsetzte, trägt den Titel Der Chronoplan, das Libretto stammt von ihrem Ehemann Alfred Kerr. Die Beschäftigung mit der vergessenen Komponistin und ihrer zweiten Oper entwickelte sich zu einem freien Forschungsprojekt. Trotz gut erhaltener Materialien wurde Der Chronoplan bis heute nie in Gänze auf die Bühne gebracht. Es fanden lediglich zwei Teilaufführungen des Werkes im deutschen Rundfunk statt. Die Gruppe beschäftigt sich neben der Einordnung der Oper in eine Musikgeschichte der Weimarer Republik und das Phänomen der „Zeitoper“ auch mit praktischen Fragen der Aufführbarkeit und betrachtet dabei das Werk unter der Lupe der musikwissenschaftlichen Genderforschung.
Lidiia Krier hielt den Vortrag „Von Pianistin zu Opernkomponistin: Strategien der Selbstpositionierung von Walentina Serowa“, in dem sie Ergebnisse ihrer Masterarbeit (betreut von Prof. Dr. Kordula Knaus) vorstellte. Der Vortrag befasste sich mit der Biographie der kaum bekannten russischen Pianistin, Komponistin, Librettistin und Musikkritikerin Walentina Serowa (geb. Bergman, 1846–1924). Serowa komponierte fünf Opern (u.a. „Uriel Acosta“, UA im Bolschoi Theater, Moskau 1885; „Ilja Muromez“, UA in Mamontow-Privatoper, Moskau 1899), Orchester- und Klavierwerke, veröffentlichte zahlreiche Texte zum Musiktheater sowie Erinnerungen an ihre Ausbildungsjahre und ihre Familie. Dennoch ist sie in der Musik- und Kunstwissenschaft überwiegend als Ehefrau und später Witwe des Opernkomponisten Alexander Serow und Mutter des Malers Walentin Serow bekannt.
In ihrem Vortrag verfolgte Lidiia Krier das Ziel, durch die Rekonstruktion und Kontextualisierung bestimmter Aspekte des Lebens von Walentina Serowa aufzuzeigen, welche Möglichkeiten Frauen – auch aus niedrigeren Gesellschaftsschichten – im Russischen Kaiserreich hinsichtlich der Musikpraxis hatten. Zu einem der zentralen Fragen wurde die Art und Weise, wie Serowa nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 1871 ihren Namen als eigenständige komponierende Frau abseits ihrer Rolle als Serows Witwe in der Öffentlichkeit schrittweise etablierte und wie die Gesellschaft in dieser Zeit auf Serowas ersten öffentlichen Auftritt als Opernkomponistin reagierte.